Redebeitrag „Kein Regalmeter für Faschismus“ – 20.03.2019 – Leipzig

Liebe Demonstrantinnen und Demonstranten,

wir protestieren heute hier, weil die Buchmesse in Leipzig, genau wie die in Frankfurt, immer noch eine Bühne für rechtsextreme, geschichtsrevisionistische und zutiefst reaktionäre Inhalte bietet. Mit dem Hinweis, dass man sie nicht ausschließen könne, wurde in den vergangenen Jahren für die neuen und alten Nazis Tür und Tor dafür geöffnet, sich als bürgerlich-konservativ, pluralistisch oder gar als demokratisch inszenieren zu können. Die Chance haben insbesondere die Kader und Berufshetzer der sogenannten “Neuen Rechten” ergriffen, die mit dem Antaios-Verlag oder dem Compact Magazin in den letzten Jahren immer wieder Marketing-Gags zur Buchmesse abziehen konnten. Wir erinnern uns beispielsweise an den an sich albernen Einfall auf der letzten Frankfurter Messe: Kubitschek fingiert einen Verkauf, sucht sich einen Fake-Verlag und die Frankfurter Allgemeine Zeitung springt darauf an – ohne Prüfung, ohne sich selbst zu fragen, welches antidemokratische Spiel man da mitspielt. Und immer wenn es Protest gab, hieß es von erwartbarer Seite: Wie schade, dass sich die Extremisten von Links und Rechts nicht einfach zivilisiert unterhalten können. “Drinnen der Geist, draußen die Hooligans” titelte die Süddeutsche Zeitung, die damit auch die antifaschistischen Aktivist*innen meinte, die auf der Leipziger Buchmesse aus einer vermeintlich geistreichen Veranstaltung von Antaios und Compact geprügelt wurden.

Wir halten dagegen fest: Immer wenn die “Neue Rechte” auf der Buchmesse aufgetrumpft hat, kam es zur Gewalt gegen antifaschistische Proteste. Und das liegt nicht daran, dass die prügelnden Neonazis, Identitären und AfDler*innen nicht genug lesen würden. Nein, vielmehr lesen sie eben menschenverachtende Hetze und Propaganda, die sie selbst gerne glauben und andere zu diesem Glauben zwingen wollen. Während sie also – gerne von Schnellroda und dem Institut für Staatspolitik aus – faktisch auf einen Kreuzzug gegen alles Linke, Liberale oder auch nur Menschliche gehen, versuchen sie sich weiter zu inszenieren, wie sie es auf den Buchmessen tun. Die rechtsextremen Bewegungsunternehmer*innen gründen einen Verlag, ein Magazin und eine Initiative nach der anderen, um sich als Mosaik-Rechte zu inszenieren und für rechte und bürgerliche Intellektuelle anschlussfähig zu sein. So ist bspw. Philip Stein, nicht nur Pressesprecher bei der völkischen Deutschen Burschenschaft und Leiter der “Ein Prozent für unser Land”-Initiative, sondern auch Autor für den Kubitschek-Verlag Antaios, Interviewpartner für die Sezession und Verleger seines Jungeuropa-Verlages. Das liegt allerdings nicht daran, dass er und seine Freund*innen so viel zu sagen hätten. Die Gedanken der Identitären oder der gesamten Neurechten sind nicht innovativ, originell oder wenigstens ästhetisch ansprechend. Nein, sie versuchen schlicht und ergreifend faschistische Literatur aus dem 20. Jahrhundert zu modernisieren, was hier bedeutet: Mit schlecht recherchierten Comic-Anspielungen aufpeppen. Sie rotieren weniger für den Inhalt, denn der ist klar: Festung Europa aufbauen, Flüchtlinge ertrinken lassen, Andersdenkende verfolgen, Frauen grundsätzlich entrechten und mit einer eingebildeten liberalen Weltelite abrechnen. Vielmehr verrenken sie sich für den Schein, aktiv, jung und bücherliebend, d.h. vielerorts gewaltlos zu sein.

In unserer politischen Arbeit muss es uns also nicht nur darum gehen, zu immer größeren Protesten zu mobilisieren. Auch dürfen wir uns nicht zu der Sisyphos-Aufgabe drängen lassen, die Rechtsextremen selbst zu überzeugen. Nein, wir müssen von denjenigen, die formell zu Demokratie und Menschenrechten stehen, endlich Haltung einfordern. Hört auf, euch von Kubitschek und Co betrügen zu lassen. Hört auf, die demokratischen Grundwerte für Sicherheit oder Effizienz herzugeben und beschäftigt euch mit eurem eigenen Nationalismus, Revisionismus und eurer eigenen Menschenfeindlichkeit, statt mit den Rechtsextremen von der AfD, der IB oder dem IfS zu koalieren, rumzukungeln oder gar ihre Positionen zu übernehmen. Das schwächt sie nicht, das stärkt sie – wie wir es auf der Buchmesse gesehen haben, wie wir es in Schnellroda sehen und wie wir es an der AfD jeden Tag sehen.

Vielen Dank!

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