Protest gegen das Preußenfest der AfD in Schnellroda – 16.09.2022

Am 16. September 2022 fand das sogenannte Preußenfest der AfD statt. Dieses zweite „Preußenfest“ wurde als Veranstaltung des Kreisverbandes Saalekreises ausgegeben und sollte ursprünglich unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Wir wollen nicht, dass die Faschist*innen sich ungestört versammeln können und hatten deshalb Gegenprotest angemeldet, der dazu führte, dass die Teilnehmer*innen des Preußenfestes sich vor allem innerhalb des Schäfchens aufgehalten haben. Die Verbindung zwischen dieser AfD-Veranstaltung und dem „Institut für Staatspolitik“ rund um Götz Kubitschek liegt nicht nur aufgrund der örtlichen Nähe, mit dem Schäfchen gastierte man in derselben Einrichtung, in der auch zahlreiche IfS-Veranstaltungen stattfinden, auf der Hand, sondern auch aufgrund der personellen: So ist seit Jahren bekannt, dass AfD-Thüringen-Chef Björn Höcke häufiger Gast bei IfS-Veranstaltungen ist und sich auf Götz Kubitschek regelmäßig bezieht.

Tillschneider holte das Rednerpult des IfS – Quelle: Objektiv Ost

Dazu waren auch weitere AfD-Funktionär*innen ständig auf den Sommer- und Winterakademien des IfS zugegen, zuletzt in großer Anzahl beim IfS-Sommerfest (Bericht). Eben jener Höcke wurde mit Entourage durch einen Hintereingang zum Preußenfest geleitet, wo er empfangen wurde. Die gesamte Inszenierung erinnert damit sehr stark an an die Flügeltreffen der AfD, die nicht mehr offen stattfinden können, da sich der Flügel offiziell aufgelöst hat, um einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu entgehen. Das hindert die Vertreter*innen des Flügels aber nicht daran, sich weiterhin in fast unveränderter Besetzung und sich am selben Ort zu treffen. Dafür gibt es etliche Indizien: So ist die Verbindung zwischen Flügel und IfS seit den Anfängen dieser Strömung belegt, wie auch schon beim Anti-Flügel-Protest am Kyffhäuser 2017 deutlich wurde (Link). Es gab dazu bereits zwei Flügeltreffen in Schnellroda, im Juni 2018 (Protest 2018) und zuletzt im März 2020 (Protest 2020), kurz vor der angeblichen Auflösung des Flügels. Dass das Preußenfest nun hier stattfindet, kann als Fortsetzung des faschistischen Flügels bewertet werden, der sich vom Rest der AfD aber vor allem über die strategische Ausrichtung uneins ist und sich gerade aufgrund der eigenen Stärke nicht mehr an Parteibeschlüsse gebunden fühlt. So waren bei dieser offiziellen AfD-Veranstaltung eben nicht nur Kubitschek und Co. sowie die üblichen AfD-Funktionäre vertreten, sondern auch zahlreiche Ex-AfDler, die explizit aus der Partei ausgeschlossen wurden. Zu nennen wären hier etwa Andreas Kalbitz (Brandenburg) oder Dubravko Mandic (Baden-Württemberg), die jeweils ausgeschlossen wurden.

Andreas Kalbitz beim Preußenfest in Schnellroda am 16.09.2022 – Quelle: Objektiv Ost

Personen, Ort und Ästhetik machen deutlich, dass hier eine Flügel-Veranstaltung unter neuem Namen stattgefunden hat. Die Wirkung auf die AfD bleibt darüber hinaus breit, so waren auch eher unbekannte AfD-Mitglieder wie der hallesche AfD-Stadtrat Andreas Heinrich zugegen. Ein anderes Beispiel ist Dimitrios Kisoudis, der schonmal Referent des IfS war und zugleich Grundsatzreferent des AfD-Vorsitzenden Tino Chrupalla ist. Die AfD-Spitze war auf dem Preußenfest also selbstverständlich vertreten.

Links im Bild Andreas Heinrich, Rechts Dimitrios Kisoudis – Quelle: Objektiv Ost

Inhaltlich blieb man sich treu und ordnete die Gedanken zu Preußen nach geschichtsrevisionistischen und völkischen Prinzipien. Zu nennen ist hier etwa der Spickzettel von Höcke, der im Internet gelandet ist (Tweet). Er schreibt darauf Notizen für seinen Vortrag, der offensichtlich mit der „ersten Begegnung mit Preußen“ beginnen soll. Für den Start verweist auf das „Bett der Großeltern (unpolitisch)“, auf das „Hineinträumen“ in Preußen durch deren Schmuckkarte und darauf, dass sein Großvater ihm gesagt hätte, dass es dieses Land nicht mehr gäbe, was er mit dem Zusatz „Transgenerationales Trauma“ versieht.

Spickzettel Höcke

Spickzettel Höcke

Hier kann man sich nicht nur vorstellen, wie schlecht der Geschichtsunterricht bei ihm sein muss, sondern vor allem die politische Stoßrichtung ableiten: Wenn die AfD bzw. ihr faschistischer Flügel ein „Preußenfest“ feiert, dann geht es um das Jammern darüber, dass Deutschland den Zweiten Weltkrieg verloren hat. In klassisch revanchistischer Manier geht es dabei um die sog. „verlorenen Gebiete“ und die Sehnsucht nach starker Führung und Ständestaat, gerne auch durch die Hohenzollern. Das reproduzierte in letzter Zeit verstärkt die „Junge Alternative“, die sich nicht nur regelmäßig positiv auf das Kaiserreich bezieht, sondern bei einem Seminar auch die Karte des Deutschen Reiches verwendete. Der koloniale Blick nach Osten, der hier auf die Fetischisierung von Gewalt und Diktatur und einen deutschen Geschichtsrevisionismus trifft, passt zu den Resten der „Identitären Bewegung“, die sich in ihrem diesjährigen Sommerlager mit dem „Deutschen Orden“ beschäftigen wollten (Tweet). Das ist die „Geopolitik“, mit der sich auch das IfS auf seiner letzten Akademie befasst hat. Das bedeutet hier also: Geopolitisches Ausgreifen Deutschlands auf seine Nachbarländer. Diese Preußenfokussierung bekommt in der Rede von Hans-Thomas Tillschneider, der auch AfD-Vorsitzender des Saalekreises ist, eine Richtung, die die extreme Pro-Putin-Haltung der AfD in Sachsen-Anhalt historisch begründen soll: Das historische Bündnis zwischen Preußen und Russland soll erneut aufgebaut werden, um sich gegen den Westen zu richten und Europa unter sich aufzuteilen. Er stützt damit aber vor allem seinen Kurs, der sich rhetorisch kaum von dem der Reichsbürger unterscheiden lässt. In diesem Sinne sieht er auch einen diabolischen Plan darin, dass die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg Preußen aufgelöst haben. Unter dem Jubel des Publikums stilisiert er Preußen also zum faschistischen Paradies. Aber auch das geht dem Publikum nicht weit genug: Als Tillschneider den „deutschen Überfall auf Russland 1941“ als „größten Fehler der deutschen Geschichte“ bezeichnet und dies rein strategisch damit begründet, dass man damit zur „Westmacht“ geworden sei, kritisiert das Publikum nicht etwa die Leugnung des mörderischen, antisemitischen und rassistischen Raub- und Vernichtungskrieges. Vielmehr sagt ein Teilnehmer anfangs gut hörbar „Kann man so nicht sagen“ (10:44). Ein anderer sagt später mehrfach „Das war kein Überfall“ (11:05). Klar: Auch Tillschneider äußert keinerlei moralischen Bedenken, was den deutschen NS-Massenmord angeht, aber das Publikum drückt noch offener aus, wozu das Preußenfest da ist.

Screenshot Rede Tillschneider Youtube

Es ist eine Fortsetzung des offiziell aufgelösten Flügels und ein völkisches Projekt, welches deutschen Geschichtsrevisionismus, Antisemitismus, Rassismus und anti-demokratisches Gedankengut zum Inhalt und Praxis einer faschistischen Partei machen will, was mit der AfD gelungen ist.

Karte der Teilnehmer*innen:

Übersichtskarte Teilnehmer*innen

Fotos:
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