Redebeitrag zur Demonstration vom „Bündnis Querfurt für Weltoffenheit“ am 06.07.2020 in Querfurt
„Wie man eine Partei anzündet“ (Götz Kubitschek 17.05.2020)
„Wie man eine Stiftung anzündet“ (Erik Lehnert 29.05.2020)
So lauteten in kurzer Zeitfolge die Schlagzeilen auf dem Onlineblog der „Sezession“. Erstere stammt von Götz Kubitschek und erschien am 17.05.2020. Der Text von Erik Lehnert wurde keine zwei Wochen später veröffentlicht. Bei der von Kubitschek im Titel genannten Partei handelt es sich um die AfD, Lehnert nimmt Bezug auf die Desiderius-Erasmus-Stiftung, die möglicherweise bald auch offiziell als parteinahe Stiftung der AfD fungieren wird.
Entgegen dem ersten Eindruck, dass es sich bei den Texten um Gebrauchsanweisungen handelt, fühlt man sich in Schnellroda als Opfer. Anscheinend vorbei der heroische Habitus, man wolle nicht mit am Tisch sitzen, sondern das Ende der Party.
Doch der Reihe nach. Zuerst wurde bekannt, dass der Flügel, eine mehr oder wenig offiziell organisierte Gruppe innerhalb der AfD, vom Verfassungsschutz beobachtet wird, wenig später wurde auch das „Institut für Staatspolitik“ und „Ein Prozent“ zum so genannten Verdachtsfall erklärt. Soweit, so unspektakulär möchte mensch meinen.
Schon länger schwelte in der AfD ein Machtkampf, der mit den medialen Formulierung „Flügelkampf“ nicht adäquat umschrieben ist. Dies würde voraussetzen, dass in der AfD verschiedene Parteiflügel agieren würden. Meist wird hier zwischen einem (national)liberalen und einem extrem rechten „Flügel“ bzw. der gleichnamigen innerparteilichen Struktur unterschieden. Wie wenig zielführend eine solche Unterscheidung ist, zeigt die mehrfache Teilnahme Jörg Meuthens an den sogenannten „Flügeltreffen“. Auch in Schnellroda hielt Meuthen auf einer Akademie einen Vortrag vor knapp 100 jugendlichen Faschist*innen.
Viel mehr scheint dem internen Machtkampf persönliche Querelen zugrunde zu liegen. Auch die verschwindenden Aussichten auf einen aussichtsreichen Posten bei fallenden Umfragewerten im Zuge der Coronapandemie dürften zur Verschärfung beigetragen haben.
Nach der Beobachtung des Flügels beschloss nun der Parteivorstand, dass dieser aufzulösen sei. Dem kam der Flügel auch nach. Die Forderung wie auch die Auflösung mag zum einen taktisch motiviert gewesen sein, zum anderen war die Struktur mittlerweile so gefestigt, dass es eines Brandings dieser Art gar nicht mehr bedurfte. Nachdem selbst der Verfassungsschutz durchblicken ließ, dass dies zu offensichtlich wäre, versuchte es ein Teil des Bundesvorstandes um Meuthen mit einer weiteren symbolischen Aktion. Es sollte nun versucht werden, Andreas Kalbitz – neben Björn Höcke das bekannteste Gesicht des Flügels – auszuschließen.
Die Vergangenheit von Kalbitz im Neonazimilieu soll hier nicht nachgezeichnet werden. Diese ist ebenfalls wie Höckes Verbindungen in die extreme Rechte seit langem bekannt und oft genug thematisiert worden. Den versuchten Ausschluss von Kalbitz, bezeichnet Kubitschek nun als Brandstiftung an der Partei. Diese sprachliche Markierung und die Bindung an Kalbitz ist zum einen eine offensichtliche Überreaktion, zum anderen offenbart sie ein tieferes Problem der sogenannten „Neuen Rechten“ und insbesondere für Umfeld des „Instituts für Staatspolitik“ in Schnellroda.
Als Überreaktion ist sie zu begreifen, da der Ausschlussversuch der AfD-Führung allenfalls ein Ausdruck der eigenen Ohnmacht ist, eine reine Symbolaktion. Sollte Kubitschek nun einen schwindenden Einfluss auf die AfD fürchten, wäre dies nicht mit der Personalie Kalbitz zu verknüpfen. Gerade der Einfluss auf die Ostverbände, zu denen Kalbitz gehörte, dürfte weiterhin vorhanden sein.
Wie ist die Reaktion nun einzuordnen? Vielmehr ist sie als Ausdruck einer Ohnmacht der Neuen Rechten zu verstehen. Gerade in der Coronapandemie fand sie keine gesellschaftliche Antwort, viel mehr wurde diese als Schock erlebt. Zum anderen musste die sogenannte „Neue Rechte“ in den letzten Monate herbe Rückschläge hinnehmen. Die „Identitäre Bewegung“ ist am Ende, vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass das „Leuchtturmprojekt“ in Halle verkauft wurde. Auch eine Antwort auf die „Black Lives Matter“-Demos mit Thematisierung der strukturellen Diskriminierung als Minderheiten gelesener Personen und der damit verbundenen Klassenfrage, mag die „Neue Rechte“ nicht zu geben. Vielmehr will sie sich im eigenen Milieu vergewissern.
In dieser Situation wird der Ausschluss von Kalbitz nun als Verrat verstanden auf den wütend reagiert wird. Ähnlich ist der Fall bei Lehnert gelagert, der die Artikelüberschrift nicht zufällig an Kubitschek anlehnt. Lehnert, der aus taktischen Erwägungen in den Vorstand der Desiderius-Erasmus-Stiftung berufen wird, muss diesen nun aus taktischen und finanziellen Gründen räumen. So trivial der Vorgang ist, um so traumatischer wurde er beim „IfS“ in Schnellroda empfunden.
Um die Artikel zu finden, muss man derzeit bis auf Seite 6 des „Sezessions“-Blogs zurückgehen. Überblickt man die Überschriften, sticht einem in das Auge, dass man in Schnellroda immer noch in der Ohnmacht gefangen ist. Der Parteistatus von Kalbitz ist derzeit Angelegenheit von Gerichten und taugt noch zu Randnotizen. Die wütenden Artikel im Sezessionsblog verrauchten ohne nennenswerte Reaktion, sie blieben letztlich ein Strohfeuer.
Dies bedeutet nicht, dass die „Neue Rechte“ und spezifisch das „Institut für Staatspolitik“ erledigt ist. Die dort betriebene, extrem rechte Ideologieproduktion geht weiter und hat, wie etwa der Mord an Walter Lübcke zeigte, reale Konsequenzen. In der Vorstellung der letzten Sezessionsausgabe wurde etwa auch der Una-Bomber romantisiert. Weiterhin finden zweimal im Jahr Akademien in Schnellroda statt, auf denen knapp 100 faschistische Akteur*innen ideologisch geschult werden und sich vernetzen. Jetzt ist ein guter Zeitpunkt deren Ohnmacht zu nutzen, um die faschistische Ideologie und extrem rechte Vernetzung, etwa in die AfD, offenzulegen.
Unsere Forderung und Ziel bleibt weiterhin aktuell: Das „Institut für Staatspolitik“ gehört dicht gemacht!